A. - Die Familie A hielt sämtliche Aktien der gleichnamigen Familien-AG, deren Hauptaktivum in der Liegenschaft in X bestand. Am 8. Januar 1988 verkaufte sie diese Aktien an ein privates Konsortium. Gemäss schriftlicher Parteivereinbarung waren allfällige Steuern auf dem Aktienverkauf von den Verkäufern zu bezahlen. Der Aktienverkauf der Familie A wurde Gegenstand des Dorfgesprächs und provozierte nur wenig später einen nicht alltäglichen Pressespiegel. So berichteten u. a. zwei Zeitungen Ende Januar 1988 ausführlich über den Eigentumswechsel. Im Sommer 1988 ersuchte das Käuferkonsortium den Gemeinderat von X, ihm namens der A-AG den Umbau der Liegenschaft zu bewilligen. Nach verschiedenen Gesprächen und Verhandlungen wurde die nachgesuchte Bewilligung am 13. Juli 1988 erteilt.
B. - Mehr als zweieinhalb Jahre nach dem Aktienverkauf, nämlich am 17. September 1990, teilte die Gemeindekanzlei X der A-AG mit, gemäss Anzeige der Kantonalen Steuerverwaltung vom 9. Juli 1990 seien sämtliche Aktien verkauft worden. Die Veräusserung stelle einen handänderungssteuerpflichtigen Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über die Grundstücke der A-AG dar. Unter Hinweis auf die gesetzliche Meldepflicht ersuchte die Gemeindekanzlei um Mitteilung, zu welchem Preis die Aktien am 8. Januar 1988 veräussert worden seien; gleichzeitig bat sie um Zustellung der Übernahmebilanz. Am 30. November 1990 veranlagte der Gemeinderat von X gegenüber der Familie A auf dem Aktienverkauf eine Handänderungssteuer von Fr. . .. , die er einspracheweise auf Fr. . . . reduzierte.
C. - Mit rechtzeitig eingereichter Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Familie A, den angefochtenen Einspracheentscheid aufzuheben. Ferner sei der Gemeinderat von X anzuhalten, zufolge Verwirkung des Rechts auf Steuerfestsetzung von der Erhebung einer Handänderungssteuer gänzlich Umgang zu nehmen.
Demgegenüber schliesst der Gemeinderat von X auf Beschwerdeabweisung. Die Kantonale Steuerverwaltung verzichtet auf eine eigene Vernehmlassung; sie weist darauf hin, dass sie der Gemeindekanzlei X bereits am 19. Dezember 1991 empfohlen habe, die Veranlagung zufolge Fristablaufs aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht hat die Beschwerde mit folgender Begründung gutgeheissen:
1. - Nach § 2 Ziff. 3 lit. a HStG gilt als steuerpflichtige Handänderung auch der Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über ein Grundstück, namentlich durch die Veräusserung von Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft, deren Aktiven überwiegend in Immobilien bestehen. Steuerpflichtig ist der Erwerber (§ 4 Abs. 1 Satz 1 HStG). Mehrere Erwerber haften bei gemeinschaftlichem Erwerb solidarisch. Solidarisch mit dem Erwerber haftet auch die Kapitalgesellschaft, von der Anteilsrechte im Sinne von § 2 Ziff. 3 lit. a veräussert werden (§ 4 Abs. 2 HStG).
Die Handänderungssteuer veranlagt der Gemeinderat jener Gemeinde, in der das Grundstück liegt (§ 10 Abs. 1 HStG). Handänderungen, die ohne Grundbucheintrag erfolgen, sind der Veranlagungsbehörde von den Steuerpflichtigen innert 30 Tagen zu melden (§ 11 Abs. 2 HStG). Das Recht auf Steuerfestsetzung erlischt, wenn die Veranlagung ein Jahr nach Kenntnis der Handänderung, in jedem Fall aber fünf Jahre nach der Handänderung, nicht eingeleitet ist (§ 13 HStG).
2. - Der Beschwerdegegner veranlagte die Handänderungssteuer am 30. November 1990 gegenüber der Familie A, und dies, obwohl gemäss § 4 Abs. 1 Satz 1 HStG die Konsortianten als Erwerber der Aktien handänderungssteuerpflichtig wären. Bei seiner Vorgehensweise stützte sich der Beschwerdegegner auf Ziffer 9 des Kaufvertrages vom 8. Januar 1988, wonach die Verkäuferschaft allfällige Steuern zu tragen hat. Dabei hat er übersehen, dass eine gegenüber § 4 Abs. 1 Satz 1 HStG abweichende vertragliche Abmachung die gesetzlich geregelte Steuerpflicht nicht zu derogieren vermag. Legt das Gesetz die Person des Handänderungssteuerpflichtigen vorbehaltlos fest, sind Parteivereinbarungen über die Tragung der Handänderungssteuer für die Steuerorgane ohne Bedeutung (vgl. Ruf, Handänderungsabgaberecht, 1985, N 10f. zu Art. 2 des bernischen Gesetzes betr. Handänderungsund Pfandrechtsabgaben; LGVE 1986 II Nr. 11 mit Hinweis). Geht mithin den Veräusserern der Aktien die Eigenschaft als gesetzliche Steuerpflichtige im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 HStG ab, hat der Beschwerdegegner ihnen gegenüber zu Unrecht eine Handänderungssteuer veranlagt. Demzufolge ist die Beschwerde gutzuheissen und der angefochtene Einspracheentscheid aufzuheben.
3. - Im übrigen wäre das Recht auf Steuerfestsetzung erloschen.
Wie die Kantonale Steuerverwaltung in ihrem Schreiben vom 19. Dezember 1991 an die Gemeindekanzlei X mit gutem Grund zu bedenken gibt, will es in der Tat nicht recht einleuchten, dass der Aktienverkauf dem Beschwerdegegner vor der Anzeige durch die Kantonale Steuerverwaltung vom 9. Juli 1990 nicht hätte bekannt sein sollen. Immerhin war der Verkauf seinerzeit ganz offensichtlich Dorfgespräch und Gegenstand von Presseartikeln. In X soll sich sogar das Gerücht gehalten haben, die fragliche Liegenschaft werde zu einem Gastwirtschaftsbetrieb umfunktioniert. In diesem Zusammenhang hat übrigens der damalige Gemeindeschreiber einer Zeitung auf Anfrage hin mitgeteilt, ein Gastwirtschaftsgesuch sei hängig, betreffe aber nicht die fragliche Liegenschaft. Da ausserdem im Vorfeld der Umbaubewilligung vom 13. Juli 1988 der Beschwerdegegner mit den neuen Aktionären und Verwaltungsräten konferiert hatte, erscheint es wirklichkeitsfremd anzunehmen, der Aktienverkauf als steuerbegründende wirtschaftliche Handänderung sei dem Beschwerdegegner erst durch die Anzeige vom 9. Juli 1990 zur Kenntnis gelangt. Es ist gegenteils davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner bereits kurze Zeit nach dem Kaufgeschäft zumindest inoffziell davon erfahren hatte. Der genaue Zeitpunkt der Kenntnisnahme kann offenbleiben. Als der Beschwerdegegner das Veranlagungsverfahren am 30. November 1990 - zu Unrecht - einleitete, waren bereits mehr als zwei Jahre verstrichen.
Wohl beruft sich der Beschwerdegegner in diesem Zusammenhang auf die gesetzliche Meldepflicht gemäss § 11 Abs. 2 HStG. Entgegen seiner Auffassung vermag es am Beginn des Verwirkungsfristenlaufes jedoch nichts zu ändern, wenn die Veranlagungsbehörde auch ohne Meldung durch den Steuerpflichtigen Kenntnis von einer steuerpflichtigen wirtschaftlichen Handänderung erhalten hat. Selbst wenn ein Steuerpflichtiger sich der Meldepflicht bewusst ist, lässt sich daraus nichts zu Gunsten der Argumentation des Beschwerdegegners ableiten. Dass entgegen dessen Auffassung die gesetzliche Anzeigepflicht nur eine von verschiedenen Möglichkeiten darstellt, von einer wirtschaftlichen Handänderung Kenntnis zu erhalten, ergibt sich überdies aus den Materialien. So hat der Regierungsrat in seiner Botschaft vom 15. Oktober 1982 zu einem neuen Handänderungssteuergesetz die Einführung einer eigentlichen Meldeund Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen bei wirtschaftlichen Handänderungen damit begründet, diese würden ohne Grundbucheintrag erfolgen und die Veranlagungsbehörden erhielten davon «meist» keine Kenntnis (Verhandlungen des Grossen Rates 1982, S. 916). Der Gesetzgeber ging somit davon aus, dass auch die Selbstanzeige nicht das einzige Mittel darstellt, damit die Veranlagungsbehörden Kenntnis von einer wirtschaftlichen Handänderung erhalten. Die Selbstanzeige ist demnach keine Voraussetzung, sondern lediglich eine formelle Pflicht, um die steuerliche Erfassung von wirtschaftlichen Handänderungen zu erleichtern. Im übrigen hat es die Regierung seinerzeit auch abgelehnt, die Meldepflicht auf das Handelsregisteramt und die Kantonale Steuerverwaltung auszudehnen, da dies einen grossen Mehraufwand zur Folge gehabt hätte. Nach Auffassung des Regierungsrates sollten die Abteilungen der Kantonalen Steuerverwaltung jedoch angewiesen werden, «insbesondere Veränderungen im Vermögensstand der Steuerpflichtigen den zuständigen Veranlagungsbehörden zu melden» (Verhandlungen des Grossen Rates 1982, S. 917). Auch daraus folgt, dass die für die Handänderungssteuer zuständige Veranlagungsbehörde aufgrund anderer Meldungen als der Selbstanzeige durch den Steuerpflichtigen tätig werden muss. Die Einleitung des Verfahrens wird somit von der Offizialmaxime beherrscht, welche durch die Meldeund Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen ergänzt wird.
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